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Warum malt(e) Holubitschka?

Franz Rieder • Franz Rieder erklärt ...   (Last Update: 12.20.2016)

Scheinbar eine einfache Frage, scheinbar leicht zu beantworten, also fragen wir Holubitschka doch einfach selbst. Wir fragen ihn nicht. Warum nicht?

Weil seine Antwort vielleicht von seinen eigenen Erfahrungen, seiner Motivation, seiner Auseinandersetzung mit Gerhard Richter in der Zeit ihrer Begegnung in der Düsseldorfer Kunstakademie usw. ausgehen, also zu persönlich ausfiele und in größerem Kontext in den Bereich der Psychologie fallen würde.

Vielleicht tangierte die Antwort seine Auseinandersetzung mit und sein Verhältnis zu seiner Zeit, vielleicht mit dem Kunstmarkt, seinem Selbstverständnis und seiner Rolle als Künstler in der Gesellschaft und fiele damit der Soziologie zu.

Würde Holubitschka uns seine Erfahrungen u.a. in der Kunstakademie zu Düsseldorf und seine Auseinandersetzung mit seinen Vorgängern, zumindest der illustren Schaar der Landschaftsmaler, besonders den Meistern der Renaissance schildern, fiele das größere Gewicht seiner Antwort in den Bereich der Ästhetik und gehörte ontologisch also der Kunstwissenschaft und damit ihren Maßstäben, ihrem Verständnis eines würdigen Kunsterlebnisses, das den honorigen Betrachtern, also jenen Menschen, die sich offen auf Kunst im Sinne kunsthistorisch qualifizierter Kunst einlassen, geziemt.

Neuerdings befragt man auch Künstler und andere Menschen solches und ähnliches unterm Computertomographen und schaut dabei, wo es im Dachstübchen des Probanden dann blinkt, um am Ort des bunt-flackernden Feedbacks auf tiefere Einsichten und Antworten zu schließen; das macht die Neurophysiologie bzw.- Neuropsychologie.


Hans-Jörg Holubitschka, Rio 2

Alles dies zeigt an dieser Stelle schon – und die Reihe könnte leicht fortgesetzt werden – dass die Antworten auf unsere Frage allesamt zu kurz gesprungen wären, würden wir Holubitschka selbst fragen oder eben Vertreter der genannten wissenschaftlichen Disziplinen.

Was bleibt? Warum denn zum Kuckuck nicht die Experten fragen, oder den Künstler? Der zumindest müsste es doch genau wissen. Wo also sonst, wenn nicht dort, ansetzen? Es gibt noch eine andere Möglichkeit, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Und das ist das Werk von Holubitschka.

Wir befragen also sein Werk: Warum malt Holubitschka?

Denn so finden wir vielleicht eine Antwort nicht außerhalb seiner Kunst, außerhalb in einer Wissenschaft, die uns sicherlich viele wertvolle Erkenntnisse geliefert hat und dies auch weiterhin verspricht, aber eben in einem gewissen Sinne außen vor bleibt.

Holubitschka ist in seinem Werk. Seine persönlichen Erfahrungen, seine Prägung durch die Zeit, seine Gesellschaft, seine Auseinandersetzung mit den Malern vor ihm und den normativen Maßstäben und Auffassungen seiner Zunft und ihren angelagerten Experten, den Kunstkennern, Kunstrichtern, dem Kunstbetrieb wie dem Kunsthandel, Sammlern, Galeristen, Auktionen und nicht zuletzt auch seine Erfahrungen mit dem Verständnis von Kunstgenuss und Kunsterlebnis der vielen Besucher seiner Ausstellungen bis heute.

Sehen wir also hin. Was malt er?

Holubitschka malt, was ist, was Menschen umgibt. Keine Reflexionen auf Gesellschaft, auf Subjektivität oder Intersubjektivität, er malt keine Straßencafés, keine Portraits, keine Menschen, keine Szenen von Arbeit oder Freizeit usw. Holubitschka malt Landschaften, Landschaften am Meer, in den Bergen. Und Städte, Burgen, Schlösser, Hütten. Alles das sind keine Sinnbilder für etwas, Allegorien oder Metaphern, gar Gleichnisse wie dies in früheren Zeit einmal verbreitet war. Und er zieht nicht hinaus mit Staffelei und Farben, um unsere Welt aus einem Prozess der Transformation von sinnlichen Erfahrungen in seine Werke zu überführen, nein, er malt gleich von Bildern aus, die ihm Vorlage sind, also von technisch reproduzierten, geistigen Anschauungen aus.

Holubitschka befragt wie so viele Maler vor ihm die Welt: was sind Landschaften, was sind Städte? Aber nicht von einer sinnlich-materiellen Erfahrung ausgehend, sondern von einer geistigen. Damit definiert Holubitschka grundlegend das Bedeutungsfeld seiner Kunst als ein geistiges, als ein reflektiertes Verhältnis zur Welt.

Die erste Antwort auf unsere Frage: warum malt Holubitschka? gründet also in seiner Frage nach dem Verhältnis, das seine Kunst zur Welt einnimmt. Und da dieses Verhältnis grundlegend ist, ist es also auch als ein Verhältnis zur Wahrheit.

Richtig, Holubitschka malt detailreich, perspektivisch genau, kompositorisch tadellos; unbestritten also sein Können. Das aber sind nicht die wesentlichen Dinge, auf die es ihm ankommt. Er malt vielmehr überlegt, reflektiert und vor allem überzeugt. Weil es ihm um Wahrheit geht.

Seine Art zu malen soll man nicht auf seine Maltechniken reduzieren, also auf ästhetische Kategorien. Im Gegenteil. Gleichwohl kommt man nicht umhin, genau zu schauen, wie er Landschaft ins Werk setzt. Denn wie er Landschaft ins Werk setzt, qualifiziert seine Malerei sogleich als Überwindung der traditionellen Ästhetik. Mit ihr tritt Neues in die Welt.

Die gekonnt wirkende Präzision und Gründlichkeit seiner Werke, die selbst – und von der Kunstgeschichte bestätigt – den Naturalismus von vielen berühmten Landschaftmaler vor ihm reflektieren, verdankt sich in großen Zügen einer modernen, zeitgenössischen Maltechnik, die man – prima vista – gar nicht bemerkt und die damit den illusionären Charakter des Motivs im Betrachter kennzeichnet.

Indem er Farbe schüttet, die Farbseen mit Spachtel bearbeitet, kratzt, wischt, Schichten aufbaut und abträgt – in manchen Werken wiederholter den Prozess mehrere Male – schafft Holubitschka eine neue Welt und somit eine neue Wahrheit.

Die Welt, wie sie Holubitschka in seinen Werken erfindet, maltechnisch in disruptiver Geste (was für ein Wort!), ist so wirklich und wahr, auch wenn sie manchmal so aussieht „als hätte man Klarspüler rein geschüttet.“(Holubitschka)

Holubitschka ist ein emphatischer Maler, ihm geht es ums Ganze. Er malt nicht, um eine neue Nische im ästhetischen Genrefeld und der Techniken zu besetzen, also etwas zu machen, was vorher noch keiner gemacht hat. Er malt, weil es ihm wie den großen Landschaftmalern vor ihm um die Wahrheit geht. Er zeigt das Neue in den Jahrhunderte alten Sujets der Welt: von Landschaft, Stadt und Bauwerken.

Wie oft wurde das Ende der Landschaftsmalerei verkündet, das Ende der figurativen Malerei, ja das Ende der Malerei überhaupt? Als käme es nun darauf an, nur noch neue Techniken, Synthesen von Techniken zu erfinden. Indem Holubitschka die Ästhetik auf seine Art überwindet, macht er klar, dass die Malerei eben nicht zu Ende ist; im Gegenteil, dass sie nie zu Ende geht. Auch nicht die Landschaftmalerei. Wenn Holubitschka Wahrheit und Kunst als ein Verhältnis zur Welt versteht, dann wird in seinen Kunstwerken auch nicht etwas erfahrbar, was bislang nur nicht erkannt worden ist.

Er macht in seinen Werken auch keine Statements; Statements machen besser Journalisten. So hat Holubitschka auch nichts mit einer modernen Kunsttheorie zu tun, die den Betrachter in den Mittelpunkt rückt und damit Kunst als ästhetisches Erlebnis definiert. Von all dem sind Holubitschkas Werke Lichtjahre entfernt und jenes zu bedienen mishagt ihm zutiefst.

Seine Motivation zu malen wäre arg reduziert, würde das ästhetische Empfinden des Betrachters für Holubitschka im Zentrum seines Schaffens stehen, weder, um ihm zu gefallen, noch, um ihm neue Erkenntnisse wohlfeil zu bieten.

Welcher anständige Künstler wäre denn mit so wenig zufrieden? Vielmehr überwindet Holubitschka in seinen Werken nicht nur den klassischen Kanon der Ästhetik, sondern gleich auch noch die vorherrschende Auffassung der modernen Vorstellung von Kunst und deren Rezeption, die das Erleben und damit den Betrachter mystifiziert, indem sie ihn in den Mittelpunkt der Reflexionen über das Wesen der Kunst stellt; was für ein Unsinn!

Subjektivität wie sie in der Neuzeit allenthalben dominiert, sei es auf Seiten des Künstlers, die in der Totalmystifikation des künstlerischen Schaffens als Geniewerk, oder auf Seiten des Betrachters als letztinstanzliches, individuelles ästhetisches Erleben imponiert, spielt in seinen Werken keine Rolle, es sei denn in kleinen Apercus, die manchmal in seinen Werken auftauchen und in denen er sich spielerisch bis spitzbübisch daran erfreut, uns hinters Licht zu führen.

Indem er z. B. satte, grüne Bergwiesen suggeriert, die in unseren Köpfen entstehen, obwohl sie fast unkenntlich amorphe Farbflächen sind, geschüttet und grob mit Spachtel bearbeitetet, oder Burgen, deren typisiertes Aussehen wir glauben wiederzuerkennen, obwohl die typischsten Ansichten sich der Darstellung von Rückseitenansichten verdanken; honi soit qui mal y pense.

Wenn seine Werke also keine Metaphern oder Sinnbilder sind, wenn sich ihr Sinn nicht erschließt aus der Transzendierung von sinnlicher Erfahrung in intellektuelle Anschauungen zu deren ästhetischem Ausdruck und auch nicht im Betrachter als dessen subjektives Erlebnis und Erkenntnissen entsteht, ja wo ist dann der Sinn des Ganzen?


Hans-Jörg Holubitschka, Cordoba


Hans-Jörg Holubitschka,Reschiera del Garda


Hans-Jörg Holubitschka, Greendale

Wahrheit und Sinn treten mit dem Kunstwerk selbst auf. Und insofern Holubitschka zeigt, dass in jedem seiner Werke die Welt der Landschaften und Städte im Licht einer neuen Wirklichkeit erscheinen, bleiben Wahrheit und Sinn werkimmanent.

Dies ist umso bedeutender, als Holubitschka in seinen Werken Wahrheit und Sinn derart schöpft, dass gleichsam mit evident wird, wie trügerisch das Ganze doch ist. Seine Landschaften, Städte, Burgen und Hütten sind real und Fiktion zugleich. Jede könnte es so wie gemalt geben und jede ist zugleich eine Vision, eine mithin recht trügerische Vorstellung.

Wie das Nichtsein zum Sein so gehört das Verbergen zur Wahrheit und der Trug zum Sinn. Aber Holubitschka ist weit entfernt in seinen Werken einem Nihilismus, Skeptizismus und Relativismus das Wort zu reden. In seinen Werken ringen Wahrheit und Vision, Trug und Wirklichkeit immer zu fort, ohne, dass es einen Ausgang mit klarem Sieger jemals gäbe. Im Gegenteil.

In seiner Kunst geht es ganz wesentlich um diese fortwährende Auseinandersetzung, die ohne künstlerisches Bedeutungsbeiwerk ausgetragen wird. Deshalb verzichtet Holubitschka auf Menschen in seinen Landschaften und auf andere Sujets, auf Stilismen und Ornamentik zum Beispiel, um diese Auseinandersetzung im Wesentlichen wie etwa im antiken griechischen Ringkampf nackt und waffenlos führen zu können.

Seine fast „nackten“ Landschaftbilder ringen um ihren Sinn und ihren Verständnishorizont zwischen dem Naturalismus der Renaissance und der modernen, zeitgenössischen Landschaftsmalerei.

Seine leeren, fast denaturierten Kulturlandschaften, menschenleer-einsamen Stadtansichten und verlassenen Burgen und Hütten, über denen ein eifersüchtiger Himmel siegesgewiss aufzieht, um sich zurück zu holen, was ihm die schlaflose List der Vernunft geraubt hat, gründen allesamt disruptiv in dem selben Streit.

Sie zeigen, dass Landschaftmalerei auch nach der Renaissance noch möglich ist, dass unser Verständnishorizont aber ein gänzlich anderer geworden ist, ohne Rückkehr dorthin. Sie tragen vielmehr diesen Streit zwischen Wahrheit und Schein aus, zeigen ihn evident. Holubitschkas Landschaften sind Austragungsorte, gleichsam olympische Arenen der Malerei selbst, in denen es fortwährend zum Kampf kommt, ohne Sieger.

Die geschlagenen Helden der Landschaftmalerei hat man zur letzten Ruhe in die Museen, gleichsam die Ruhmeshallen unseres modernen Parthenon und Walhall aufgenommen. Sie kämpfen nicht mehr. Denn nur im Vollzug der Auseinandersetzung bringt das Werk sich voll zur Geltung, markiert es seine Wahrheit im Diskurs. Dort in den modernen Tempeln des Kampfes um Wahrheit und Sinn aber wird nicht gestritten, es wird gesammelt. Gesammelt werden die unzähligen Geschichten von Sieg und Niederlage, Triumpf und Schmach zugleich. Und daran ändert auch nichts, dass wir die Toten dort umso mehr ehren durch großartige Ausstellungen, in denen flüsterleise der Diskurs gelegentlich noch spukt.

Still ist es in den Museen überwiegend, kein Laut mehr vom einstigen geistigen Kampf ist zu hören, der nicht immer leise und ohne Blutvergießen vonstattenging. Nichts mehr vom Streit darüber, dass Landschaftsmalerei und mit ihr die Landschaftmaler tot sind bzw. dass zeitgenössische Malerei sich verabschieden muss von solchen ausgelaugten Sujets, die nur noch für Museen taugen und den Gegenreden zu solchen Positionen, die es ja glücklicherweise noch gibt.

Holubitschka fühlt sich seinen Toten gegenüber verpflichtet. Denen, die vor ihm Landschaften malten, gilt viel mehr als sein ästhetisches Interesse. Holubitschka hat in seinen Werken den Kampf wieder aufgenommen in einer Zeit, als eher das Leichentuch der Geschichte über Landschaftsmalerei geworfen wurde.

Er führt den Kampf um die Landschaftsmalerei weiter und widersetzte sich den Schmähungen, die über das Genre sich ergossen, auch dem Unverständnis und dem Zynismus einer zeitgenössischen Moderne, die sich an Landschaften totlacht und lieber Haifische in Plastik gießt, Totenköpfe mit Edelsteinen besetzt und Luftballons aus roter Lackfolie aufsteigen lässt.

Sich mit zeitgeistlosen, ewigen Themen auseinanderzusetzen, emphatisch, überzeugt, selbst mit modernen Maltechniken Wahrheit ins Werk zu setzen, indem er aus der immensen Geschichtlichkeit der Kunst der Landschaftmaler schöpft, das fasziniert ihn leidenschaftlich.

Die Geschichte der großen Landschaftmalerei verschenkt ihm ihr Zuviel an Möglichkeiten, Wahrheit und Sinn. Über viele Jahre hinweg stiftete sie immer wieder Neues und dieses Neue war stets wiederum Anfang von Geschichte in dieser nie endenden Auseinandersetzung, an der Holubitschka nun Teil hat, die er gerne entgegennimmt und somit Teil dessen ist. Kein rätselhafter, angeborener Genius, keine göttliche Gabe trägt den Maler Holubitschka, sondern eben diese Arbeit und Auseinandersetzung an und mit der Geschichte der Landschaftmalerei.

Handwerk, Kraft und Überzeugung, Streitlust mithin wie bei den antiken griechischen Ringern, weniger ein geniales Subjekt tragen Holubitschka täglich ins Atelier zur Leinwand. Dort nimmt er den Streit um die Welt der vorhandenen Werke der großen Landschaftsmaler wieder auf. Damit ihre Welt nicht als dereinst zerfallene Splitter der Ästhetik und der Kunstgeschichte ortlos nur noch als einmal Gewesene an den Wänden der Museen, in Bunkern und Tresoren von Sammlern und Syndikaten, Firmen und Stiftungen usw. wie Mumien in Königsgräbern überleben.

Dereinst wird Holubitschka dann selbst seinen Tod im Tempel finden. Andere müssen dann für ihn streiten, aber zum Glück verzeichnen wir heute schon eine neue Renaissance der Landschaftsmalerei bei jungen, zeitgenössischen Künstlern. Der Streit wird heftiger und demnächst wohl auch lauter, wie schön!

Bis dahin an sein Ende aber ist seine herausragendste Motivation und das, worauf es im Kern mit jedem Werk jedes Mal aufs Neue ankommt: „am Ende muss man ein Bild malen“ (Zitat Holubitschka) und wir ergänzen: ein Landschaftsbild.

Deshalb malt Hans-Jörg Holubitschka.

Nachtrag

Natürlich stellen sich im Zusammenhang mit der Frage: warum malt Holubitschka? auch weitere, scheinbar näherliegende Fragen, wie z. B: Malt er nicht einfach deshalb, weil er malen am besten kann? Sicherlich. Könnte er besser Fußball spielen, wäre er wohl Fußballprofi geworden. Oder die Frage: Malt er nicht auch, um Geld zu verdienen? Sicher freut er sich über jedes verkaufte Bild auch existentiell, füllt es doch auch seinen Kühlschrank. Aber ginge es ihm nur um den Mammon, würden seine Werke doch mehr dem Zeitgeist folgen.


Hans-Jörg Holubitschka ist am
16. Dezember 2016 in Düsseldorf verstorben.




Franz Rieder betreibt einen Blog zum Golfsport auf on-golf.de.

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